Rückenwind ade – der Gegenwind wird spürbar
Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – insbesondere Familienbetriebe – spüren derzeit, wie der Rückenwind der vergangenen Jahre nachlässt und der Gegenwind kräftig zulegt. Nachdem der deutsche Mittelstand lange Zeit von boomender Nachfrage und wachsenden Umsätzen profitieren konnte, hat sich die Lage deutlich eingetrübt. In vielen Betrieben macht sich Ernüchterung breit: Wenn es gut läuft, schafft man zum Jahresende noch eine schwarze Null – selbst das ist ungewiss. Reserven sind vorhanden, doch aktuell verbrennen einige Unternehmen Monat für Monat Liquidität.
So wie beim Fahrradfahren: Mit Rückenwind spürst du zusätzliches Gepäck kaum, aber sobald Gegenwind aufkommt, merkst du jedes überflüssige Kilo. Genauso werden jetzt in Unternehmen Ineffizienzen spürbar, die zuvor vom Rückenwind der guten Konjunktur überdeckt wurden. Einige Firmenchefs und Führungsteams reagieren darauf (noch) wenig konstruktiv. Häufig zu beobachten sind etwa:
- Ignorieren und Wegschauen: Nach dem Motto „Das wird schon wieder“ einfach weitermachen wie bisher, in der Hoffnung auf Besserung.
- Verantwortung abgeben, an die äußere Umstände: Die Politik, die Rahmenbedingungen, der Markt – irgendwer muss schuld sein.
- Kopf in den Sand stecken: Man hofft, dass es von selbst vorbeigeht, und vermeidet es, tiefer in die Zahlen oder Probleme zu schauen.
- Aktionismus ohne Plan: Jetzt schnell etwas machen, auch wenn die Maßnahmen kaum Ziel und Richtung haben.
Dann wird die Situation auch schöngeredet. Sätze wie „Wir sind doch kerngesund.“, „Wir haben schon alles getan, jetzt muss der Markt wieder anspringen.“ oder „Wir nehmen einfach jeden Auftrag, den wir kriegen.“ kann man in solchen Phasen hören. Und das ist alles nicht falsch. Gleichzeitig ändert es nichts an der Realität: Der Rückenwind ist erstmal weg, und wer jetzt nicht aktiv gegensteuert, riskiert, an Höhe zu verlieren.
Der Erfolg der letzten Jahrzehnte hat Schwächen kaschiert
Das eigentliche Problem ist nämlich nicht die aktuelle Marktschwäche – sie legt nur offen, was zuvor im Verborgenen lag. In den Zeiten starken Wachstums konnten sich viele Unternehmen Ineffizienzen leisten. Hohe Nachfrage, volle Auftragsbücher, steigende Umsätze und solide Gewinne sorgten dafür, dass man sich zusätzliche Services, besondere Qualitätsinitiativen für Kunden und Mitarbeitende, komplexere Strukturen oder schlicht etwas „Speck“ in den Abläufen erlauben konnte. Solange der Ertrag stimmte, war es leicht, über suboptimale Prozesse oder ungeklärte Verantwortlichkeiten hinwegzusehen. Ein Ökonom hat es auf den Punkt gebracht: „Das robuste Wachstum der letzten Jahre hat diese Ineffizienzen etwas verdeckt.“
Erst wenn die Ertragskraft aus irgendeinem Grund zurückgeht – sei es durch Nachfragerückgang, steigende Kosten oder andere externe Schocks – kommen Versäumnisse ans Licht. Plötzlich zeigt sich, wo Ressourcen verschwendet wurden und wo es an klarer Ausrichtung fehlt. Sinkende Umsätze treffen nun auf ein Kostenfundament, das in besseren Zeiten viel zu hoch gewachsen ist. In manchen Betrieben werden jetzt fehlende strategische Klarheit und Uneinigkeiten im Führungsteam sichtbar, die man zuvor verdrängt hat. Ohne klaren Kurs wurden wichtige Entscheidungen immer wieder vertagt, denn im Aufschwung schien es auch ohne sie zu gehen. Vieles konnte man sich leisten, solange die Gewinne sprudelten. Jetzt, wo es enger wird, nicht mehr.
Hinzu kommt: Viele Führungskräfte in KMU haben in den letzten zwei Jahrzehnten keine wirtschaftliche Krise erlebt. Es ging tendenziell immer bergauf. Eine ganze Generation von jüngeren Entscheidern steht nun erstmals vor einem ausgewachsenen Gegenwind. Es fehlt oft an Erfahrung, was in schwierigen Zeiten zu tun ist, weil in guten Zeiten sich niemand täglich fragen musste, wie sich kleine Entscheidungen auf die Marge auswirken. Doch im Abschwung müssen Führungskräfte hyperbewusst mit Zeit und Ressourcen umgehen – Euro und Zeit kriegen einen neuen Wert.
Ich habe es in unserem Familienbetrieb erlebt wie das ist: Damals kündigte ein Lieferant (OEM) völlig überraschend die Zusammenarbeit. Das fühlte sich im ersten Moment nach Schock und Krise an. Wir mussten recht zügig umsteuern, eine neue Strategie entwickeln und uns neu fokussieren. Einfach war das nicht – aber es war sehr produktiv. Durch den Wegfall des sicheren Umsatzes wurden wir gezwungen, uns auf das zu besinnen, was unser Unternehmen wirklich voranbringt. Am Ende hat uns dieser fokussierte Neustart viel resilienter und erfolgreicher gemacht. Fokussieren hier, weglassen da – dieser Schritt war Gold wert, auch wenn er uns zunächst aufgerüttelt hat. Genau dieses Potenzial steckt in der jetzigen Situation für viele Unternehmen: Es kann der Anstoß sein, schlummernde Chancen zu heben, Strukturen zu straffen und die eigentliche Stärke des Unternehmens wieder freizulegen.
Übrigens braucht diese Neuorientierung nicht in Panik zu münden. Im Gegenteil – anstatt ein Schreckgespenst zu sein, kann der Gegenwind als Weckruf dienen. Wenn man früh genug hinschaut, wenn noch Handlungsspielraum besteht, lassen sich die Weichen neu stellen. Chancen liegen vor allem darin, nicht nur kurzfristig Kosten zu senken, sondern die strategische Ausrichtung und Aufbauorganisation zu schärfen. So geht man fokussierter in die Zukunft und trifft Entscheidungen, die die Ergebnisse nachhaltig verbessern.
Weckruf annehmen und jetzt den Kurs auf nachhaltige Entwicklung von Ertrags setzen
Was sollten Unternehmerinnen und Unternehmer also jetzt tun? Wichtig ist vor allem eins: Nicht in blinden Kostensenkungsaktionismus verfallen. Rein das Gleiche mit weniger Leuten zu machen kann nicht das Ziel sein – jedenfalls nicht in familiengeführten Betrieben, die in Generationen denken. Statt eines kurzen Sparprogramms braucht es einen nachhaltigen Ansatz, um die Gegenwartsfähigkeit zu verbessern und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Oder anders ausgedrückt: Einfach mal an Unendlichkeit denken.
Hier folgen fünf zentrale Ansatzpunkte, mit denen du dein Unternehmen jetzt wirksam auf Kurs bringen kannst – weg vom reinen Krisenmodus, hin zu langfristig profitabler Entwicklung:
- Durchleuchte deine Profitcenter und Kostentreiber: Verschaffe dir Klarheit, woher genau eure Gewinne kommen und welche Bereiche die größten Kosten verursachen. Seid ehrlich: Welche Produkte, Dienstleistungen oder Kundengruppen schaffen echten Wert? Welche verursachen hauptsächlich Aufwand? Oft gilt das Pareto-Prinzip: Ein Teil des Angebots trägt den Löwenanteil zum Ergebnis bei, während anderes vor sich hin dümpelt. Falls euer Controlling hier Lücken hat, ist jetzt der Zeitpunkt, sie zu schließen – zumindest so weit, dass gravierende Fehleinschätzungen aus dem Bauch heraus vermieden werden. Wie kommt es, dass ihr heute da steht, wo ihr steht? Auch diese Rückschau ist nötig, um die richtigen Schlüsse zu ziehen.
- Setzt euch klare Ertragsziele – gemeinsam: Definiert ein klares Zielbild, wo ihr mittelfristig stehen wollt.
Wie viel muss das Ergebnis verbessert werden – und bis wann? Lieber ein ambitionierter Drei-Jahres-Plan mit substanziellen Verbesserungen als kurzfristiges Stückwerk, soweit es die Lage zulässt. Brecht das Gesamtziel auf Bereiche oder Teams herunter: Wer trägt wie viel bis wann zur Ergebnisverbesserung bei? Solche Ziele zu finden ist nicht einfach; man wird sie beobachten und ggf. nachjustieren müssen. Wichtig ist, dass die Führungsmannschaft mit im Boot ist und alle wissen, worauf hingearbeitet wird. Das gilt es transparent zu machen, oder gemeinsam zu erarbeiten. Dabei darf es nicht nur um Kostensenkung gehen! Manchmal heißt das Ziel auch, sich von weniger rentablen Produktlinien oder Kunden zu trennen, um sich auf die profitableren Segmente zu fokussieren. In der Strategiearbeit sind zwei Fragen entscheidend: „Worauf fokussieren wir uns künftig?“ und „Was lassen wir bewusst weg?“ - Maßnahmen planen – strukturiert und messbar: Aus der Analyse und den Zielen folgt die Praxis: Entwickelt einen Maßnahmenplan. Jede Fachabteilung, jeder Unternehmensbereich sollte Verantwortung für konkrete Beiträge übernehmen. Stellt euch ein paar Schlüsselfragen:
– Wie können wir die erfolgreichen Bereiche weiter ausbauen?
– Wo haben wir Möglichkeiten, effizienter zu werden?
– Welche Leistungen erbringen wir bisher „on top“, die unserem Kernbusiness kaum Nutzen bringen?
– Wo findet Verschwendung statt – und wie können wir sie reduzieren?
– Hinterfragt auch liebgewonnene Gewohnheiten: Was ist wirklich notwendig, damit der Laden läuft, und was ist aktuell eher Luxus?
– Achtung – es geht nicht darum, blind mit dem Rasenmäher alle Ausgaben zu kürzen. Es geht um schlaue Maßnahmen. Identifiziert Kosten, die „die guten Kosten“ sind – etwa zukunftsgerichtete Investitionen – und solche, die verzichtbar sind. So gelingt Gegenwartsgestaltung mit Zukunftsorientierung: Effizienz heben, aber mit Weitblick. Aus euren Antworten leitet ihr konkrete Schritte ab. Schreibt sie auf, macht sie quantifizierbar (z.B. Kostenreduktion X in Bereich Y bis Datum Z, Umsatzsteigerung um X% in Segment Y usw.). Was tut ihr dafür konkret? Wie ist die Taktik? Priorisiert die Maßnahmen nach Wirkung und Aufwand und verteilt sie über die kommenden Monate und Jahre. So entsteht ein Fahrplan – euer Programm zur Ertragssteigerung, Schritt für Schritt. - Konsequent umsetzen und nachhalten: Planung ist das eine, Umsetzung das andere – und hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Die schönste Strategie nützt nichts ohne konsequente Durchführung. Sorgt für klare Verantwortlichkeiten: Wer macht was bis wann? Legt messbare Meilensteine fest und überprüft regelmäßig den Fortschritt. Wichtig ist, dass ihr die Umsetzung aktiv steuert – nicht im Micromanagement-Verständnis, aber mit Transparenz und Nachdruck. Das Management muss geschlossen dahinterstehen und Führungskräfte auf allen Ebenen im Boot haben. Ohne klares Commitment von oben geht es nicht. Idealerweise sitzen alle relevanten Rollen – Eigentümer, Geschäftsführung, operative Leitung – mit im Steuerungskreis. Und dann heißt es: dranbleiben. Orientierung → Fokus → Konsequenz.
- Kultur der kontinuierlichen Verbesserung fördern: Das Beste, was deinem Unternehmen jetzt passieren kann, ist eine Einstellung von „Wir packen’s an – gemeinsam, jeden Tag ein bisschen besser.“ Schafft eine Kultur, in der Ertragssteigerung nichts Anrüchiges oder Angstmachendes ist, sondern positiv als gemeinsames Ziel verstanden wird. Wenn alle sehen, dass Verbesserungen nicht nur von oben verordnet sind, sondern dem Unternehmen und letztlich jedem Beteiligten nutzen (Stichwort „nachhaltiges Wachstum für Menschen, Teams und Organisation“), dann entsteht Momentum. Feiere erzielte Fortschritte, egal ob groß oder klein. Ermögliche es Mitarbeitenden, eigene Ideen zur Effizienzsteigerung oder Kundenbegeisterung einzubringen. Diese Kultur entsteht natürlich nicht über Nacht – aber die Führung kann sie vorleben. Kontinuierliche Ertragsverbesserung heißt nicht, im Dauerstress zu malochen, nicht einfach immer mehr des gleichen, sondern smart zu arbeiten und mit weniger Aufwand eine größere Wirkung zu erzielen.
All diese Hebel greifen ineinander. Am Anfang steht jedoch immer der entschlossene Impuls von oben, die Dinge ehrlich anzuschauen und neu auszurichten. Wenn der Rückenwind fehlt, muss der Antrieb aus dem Unternehmen selbst kommen – und dieser Antrieb beginnt bei der Führung.
Fazit: Handeln, bevor der Spielraum schrumpft
Man hätte vor Jahren damit beginnen können, aber niemand hat die Notwendigkeit gespürt. Und heute sollte niemand die aktuelle Lage dramatisieren – aber verharmlosen eben auch nicht. Für viele mittelständische Firmen war die Party der vergangenen Jahre lang und berauschend; jetzt sind die Getränke langsam aus und man stellt fest, dass der Boden etwas klebrig geworden ist. Das ist kein Weltuntergang, sondern der Moment, das Licht anzuknipsen und mit dem Aufräumen zu beginnen, am besten solange man es noch in Ruhe tun kann. Je früher du hinschaust und handelst, desto größer der Handlungsspielraum.
Klar ist: Die goldenen Zeiten, in denen der Markt für Wachstum sorgen wird, sind erstmal vorbei. Aber anstatt in Schockstarre zu verfallen, oder einfach zu hoffen „das wird schon wieder“, lohnt es sich, jetzt anzufangen: Kurs prüfen, schärfen und nachjustieren. Entrümple die ineffizienten Ecken und stelle die Mannschaft gemeinsam auf das neue Ziel ein – profitables Wirtschaften auch ohne Rückenwind.
Familienunternehmen und KMU haben einen entscheidenden Vorteil: Sie können schnell entscheiden und sind es gewohnt, langfristig zu denken. Nutze diese Stärke. Sieh den Gegenwind als Trainingspartner, der dich stärker macht. Indem du jetzt entschlossen die Weichen stellst, sorgst du dafür, dass persönliches Wohlergehen und geschäftlicher Erfolg sich auch künftig gegenseitig beflügeln – genau das ist es schließlich, wofür wir arbeiten. Let us go!

